| Veranstaltung: | Landesparteitag S-H November 2025 |
|---|---|
| Antragsteller*in: | Jörn Pohl (KV Kiel) + Rasmus Andresen (KV Flensburg) |
| Status: | Eingereicht |
| Angelegt: | 21.11.2025, 01:13 |
D1: Dialog statt Repression! Grundrechte von Fans und Zuschauer*innen schützen!
Antragstext
Die Innenministerkonferenz (IMK) wird auf ihrer Tagung Anfang Dezember über
Maßnahmen beraten, die einen erheblichen Angriff auf die Grundrechte von Fans
und Zuschauer*innen darstellen. In den letzten Tagen und Wochen hat sich hier
Widerstand gebildet. Mehr als 20.000 Fans zahlreicher Vereine protestierten
gemeinsam in Leipzig, mehr als Hunderttausend Fans unterschrieben innerhalb
kürzester Zeit eine Petition „Der Fußball ist sicher.
Nein zu Populismus – Ja zur Fankultur!“
Es wäre nicht das erste Mal, dass Fußballfans zum Versuchsobjekt für überzogene
und unverhältnismäßige Sicherheitsverschärfungen werden. Dabei hat sich die
Sicherheitslage in den Stadien bundesweit in den vergangenen Jahren
kontinuierlich verbessert.
Trotz immer neuer Rekordbesuchszahlen und der Tatsache, dass jedes Wochenende
Millionen von Fans und Zuschauer*innen die Spiele verfolgen, sind alle
relevanten Kennzahlen, wie die Zahl an Verletzten, Ermittlungsverfahren und
Polizeistunden, stark rückläufig. Dies zeigt u.a. auch der Jahresbericht der
Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS). Während Gewaltdelikte
abnehmen, bleibt das Sicherheitsniveau in den Stadien konstant hoch. Umso
unverständlicher ist es, dass im Vorfeld der IMK erneut über sehr weitreichende
Überwachungsmaßnahmen diskutiert wird.
Ob personalisierte Tickets, der verstärkte Einsatz “intelligenter”
Videoüberwachung und künstlicher Intelligenz zur Gesichtskontrolle - die
vorgeschlagenen Maßnahmen und Instrumente werden seit Jahren höchst kontrovers
diskutiert. Statt den Dialog mit DFB, DFL, Vereinen und organisierten Fans
fortzusetzen und gemeinsam zu guten Lösungen zu kommen, riskieren die
Innenminister*innen durch ihr Vorgehen eine Vertiefung ohnehin bestehender
Gräben und eine weitere Eskalation.
Bündnis 90/ die Grünen Schleswig-Holstein kritisieren das Vorgehen im Vorfeld
der IMK und den geplanten Einsatz von unausgereiften, tief in die Grundrechte
von Fans und Zuschauer*innen eingreifenden Maßnahmen scharf. Versuchen, diese
Instrumente zunächst in Stadien und deren Umfeld einzusetzen, um sie später auch
in anderen öffentlichen Bereichen einzusetzen, stellen wir uns entschieden
entgegen. Grundrechte gelen auch für Fußballfans und Zuschauer*innen!
Die massive Einschränkung von Grundrechten und der Pauschalverdacht machen
Stadien und Gesellschaft nicht sicherer. Extrem fehlerhafte
Gesichtserkennungssysteme und flächendeckende, (intelligente) Videoüberwachung
gefährden Grundrechte und sind extrem kostenintensiv.
Wir teilen auch die aufgrund von Missbrauchsanfälligkeit starke Kritik von
Datenschützern an der diskutierten Einführung von personalisierten Tickets.
Pauschale Stadien- und Stadtverbote gegen ganze Fangruppen sind ebenfalls nicht
zu rechtfertigen. Verpflichtende Stadionverbote schon bei Einleitung eines
Ermittlungsverfahren würde die unseren Rechtsstaat konstituierende
Unschuldsvermutung aushebeln und wären unseres Erachtens klar rechtswidrig.
Stadionverbote müssen schon heute nach entsprechenden Überprüfungen immer wieder
zurückgenommen werden. Auch mit rechtswidrigen Speicherungen in der „Datei
Gewalttäter Sport“ gibt es immer wieder Probleme. Dennoch sind notwendige
rechtsstaatliche Reformen, für die wir uns als Grüne immer eingesetzt haben,
bisher weitgehend ausgeblieben.
Bereits in der Vergangenheit kam es zu fragwürdigen Datenerhebungen von
Fußballfans durch Polizeibehörden. Niemand sollte seine Rechte am Stadiontor
abgeben. Stattdessen setzen wir uns als Grüne für präventive Maßnahmen, wie die
Zusammenarbeit mit Fanvereinigungen und den verstärkten Einsatz von
Sozialarbeiter*innen aus. Hierbei muss auch eine rechtliche Stellung der
Stärkung von Sozialarbeiter*innen im Fanbereich angestrebt werden.
Fälle wie die Verurteilung von drei Mitarbeiter*innen eines Fanprojekts im
Oktober 2024 wegen Aussageverweigerung, schwächen das Vertrauen der Fanszenen.
Im Oktober dieses Jahres wurde ein Verfahren gegen Sozialarbeiter*innen
eingestellt. Dennoch sahen sich diese über Jahre einem Gerichtsverfahren
ausgesetzt. Hier wollen wir die Einführung eines Zeugnisverweigerungsrecht
prüfen, denn die Aufgabe von Sozialarbeiter*innen ist es, Brücken zu bauen und
ein Staat, der diese vor Gericht zwingt, untergräbt ihre Arbeit.
All diese Beispiele zeigen, dass Grundrechtseingriffe oft Fans und
Zuschauer*innen treffen, die keinerlei Fehlverhalten zeigen. Vielmehr verhalten
sich Millionen Fans an jedem Spieltag absolut rechtskonform Selbstverständlich
gibt es auch Personen, die randalieren und gezielt gewalttätige
Auseinandersetzungen suchen - mit Fans anderer Mannschaften, Ordnern oder der
Polizei. Das bestreitet niemand. Statt auf die Breite der Millionen von
friedlichen Fans und Zuschauer*innen abzielende, unverhältnismäßige Maßnahmen
setzen wir uns für ein zielgerichtetes Vorgehen gegen diejenigen ein, die ganze
Kurven und Fanszenen immer wieder in Misskredit bringen.
Dialog und Prävention statt repressiven Populismus!
Wir fordern die Innenminister*innen der Länder dazu auf, von den derzeit in der
Diskussion befindlichen Maßnahmen Abstand zu nehmen. Statt die Faktenlage
komplett zu ignorieren und ohnehin bestehende Gräben ohne Not weiter zu
vertiefen, müssen sie endlich eine grundrechteschonende, fakten- und
evidenzbasierte Sicherheitspolitik verfolgen. Statt Vereine, Verbände und Fans
zu ignorieren, fordern wir zu einer Rückkehr zum Dialog auf.
Statt des Ausbaus rein repressiv wirkender Kollektivmaßnahmen braucht es in
erster Linie Prävention, die Stärkung von Fanprojekten und zielgerichtetes
Vorgehen gegen Täter.
Deutsche Fußballstadien und Kurven sind immer auch das Spiegelbild unserer
Gesellschaft. Gesellschaftliche Entwicklungen machen weder positiv noch negativ
vor dem Fußball, Fans und Zuschauer*innen halt. Die sehr erfolgreiche Arbeit von
Fanprojekten, gerade mit jungen Fans, ist die beste Prävention und gelebte
Demokratiearbeit. Gute Arbeit braucht Kontinuität und Verlässlichkeit. Daher
wollen wir Fanprojekte stärken und auch die Erkenntnisse aus der Fansozialarbeit
als Grundlage von politischen Entscheidungen heranziehen.
Der Antrag wird gemeinschaftlich gestellt von Jörn Pohl (KV Kiel) und Rasmus
Andresen (KV Flensburg)
Begründung
Begründung Dringlichkeit:
Die sehr weitreichenden Pläne, die auf der kommenden Innenministerkonferenz Anfang Dezember in Bremen beraten und ggf. beschlossen werden sollen, sind erst nach Antragsschluss für den LPT bekannt geworden. In der Folge hat sich eine größere politische Debatte zu dem Thema entfacht, zu der wir uns als Partei positionieren sollten.
Unterstützer*innen
- Conny Clausen (KV Flensburg)
- Marcel Beutel (KV Ostholstein)
- Luca Köpping (KV Kiel)
- Katharina Bartsch (KV Herzogtum Lauenburg)
- Jan Kürschner (KV Kiel)
- Oliver Brandt (KV Herzogtum Lauenburg)
- Gazi Freitag (KV Plön)
- Moritz Bührmann (KV Kiel)
- Maya Diederichs (KV Kiel)
- Norbert Tretkowski (KV Schleswig-Flensburg)
Kommentare