| Veranstaltung: | Landesparteitag S-H November 2025 |
|---|---|
| Antragsteller*in: | Annabell Louisa Pescher (KV Flensburg) |
| Status: | Eingereicht |
| Angelegt: | 21.11.2025, 09:29 |
D2: Gute Bildung braucht eine gute Ausbildung - Keine Schwächung der Lehrkräftebildung in Schleswig-Holstein
Antragstext
Da der Gesetzentwurf der Landesregierung „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung
des Lehrkräftebildungsgesetzes Schleswig-Holstein und Anpassung
besoldungsrechtlicher Vorschriften“ bereits in dieser Woche in den Landtag
eingebracht wird und anschließend im Bildungsausschuss beraten werden soll, ist
eine Positionierung des Landesparteitags notwendig, um unsere grüne Linie in den
weiteren parlamentarischen Prozess einzubringen. Die Dringlichkeit ist gegeben,
da die Vorlage erst nach Ende der Antragsfrist in den Parlamentsdokumenten
zugänglich gemacht wurde (05.11.2025).
Der Landesparteitag möge deshalb beschließen:
1. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein sehen in der Einführung der
Lehrämter „Direkteinstieg an Grundschulen“ und „Direkteinstieg an
Gemeinschaftsschulen“ keine geeignete Möglichkeit, dem Lehrkräftemangel
langfristig zu begegnen.
Ein Bachelor-Abschluss bietet aus unserer Sicht keine ausreichende Grundlage, um
Lehrkräfte für eine dauerhafte pädagogische Tätigkeit an Grund- und
Gemeinschaftsschulen qualifiziert auszubilden. Studien deuten darauf hin, dass
frühe und unbegleitete Praxiserfahrungen zu einer Deprofessionalisierung führen
können. Zukünftige Lehrkräfte benötigen aus unserer Perspektive ausreichend
Gelegenheit, sich angeleitet im Unterricht zu erproben und ihre professionelle
Lehrkräftepersönlichkeit zu entwickeln, damit sie den Herausforderungen des
Schulalltags kompetent begegnen und kompetenzorientierten Unterricht sicher
gestalten können. Für Studierende mit einem Bachelorabschluss, welcher zu einem
lehramtsbezogenen Masterstudiengang befähigt, soll deshalb kein Direkteinstieg
möglich sein.
2. Wir bekräftigen unseren Landesparteitagsbeschluss von Oktober 2024
„Ausbildungsqualität stärken, Lehrkräfteausbildung vernetzen: Ablehnung einer
reinen Verkürzung des Vorbereitungsdienstes“ als Grundlage für eine
zukunftsweisende Reform der Lehrkräftebildung.
Unser Ziel bleibt eine qualitativ hochwertige, wissenschaftsbasierte und
praxisnahe Lehrkräftebildung über alle Ausbildungsphasen hinweg. Wir folgen
dabei der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK), die betont, dass auch
alternative Wege in den Lehrberuf denselben wissenschaftlichen Anspruch
verfolgen und in ein kohärentes Gesamtsystem eingebettet sein müssen.
Das IQSH und die lehramtsausbildenden Hochschulen sollen deshalb umfassend in
die Ausarbeitung eines phasenübergreifenden Curriculums einbezogen werden, um
eine qualitätsgesicherte und wissenschaftsbasierte Ausbildung sicherzustellen.
3. Sollte der Landtag dennoch auf die Einführung der Direkteinstiegslehrämter
hinwirken, fordert der Landesparteitag die grüne Landtagsfraktion auf, sich
dafür einzusetzen, dass
a. . diese ausschließlich als Maßnahme zur Bewältigung des akuten
Lehrkräftemangels gelten, welche evaluiert und wissenschaftlich begleitet werden
soll. Parallel soll - orientiert an den Empfehlungen der SWK - eine bessere
Verzahnung aller Ausbildungsphasen für sämtliche Lehramtsstudiengänge angestrebt
werden,
b. die Ergebnisse der Studie „Studienunabhängige Lehrtätigkeit im
Professionalisierungsprozess“ der Europa-Universität Flensburg bei der
Konzeptionierung der Direkteinstiegslehrämter Berücksichtigung finden.
c. Direkteinstiegslehrkräfte verbindlich und garantiert die Möglichkeit zu einer
vollwertigen Weiterqualifikation bis zur Staatsprüfung erhalten. Diese
Qualifizierung soll berufsbegleitend und praxisnah erfolgen und innerhalb klar
definierter Fristen sowie unter tariflicher Beschäftigung angeboten werden. Nur
durch eine verpflichtende Weiterqualifikation kann verhindert werden, dass
dauerhaft Lehrkräfte mit unterschiedlicher Besoldung und ungleicher
Qualifikation identische Arbeit leisten. Eine solche strukturelle
Ungleichbehandlung innerhalb eines Kollegiums lehnen wir ab.
d. Beschäftigten, die über den Direkteinstieg eine Lehrtätigkeit aufnehmen,
sowie grundsätzlich allen Lehrkräften ohne abgeschlossenes Staatsexamen ist
ein*e Mentor*in an der Schule zur Seite zu stellen. Die damit verbundenen
zusätzlichen Aufgaben der Mentor*innen sind durch eine entsprechende Reduzierung
ihrer Unterrichtsverpflichtung zu kompensieren.
e. die lehrkräftebildenden Hochschulen, insbesondere die Europa-Universität
Flensburg, vor strukturellen und finanziellen Risiken durch sinkende
Studierendenzahlen geschützt und ihre Rolle – wie von der SWK gefordert - in der
Lehrkräftebildung gestärkt statt geschwächt wird.
f. verbindliche phasenübergreifende Abstimmungsstrukturen sowie ein
unabhängiges, wissenschaftsbasiertes Qualitätsmanagement eingerichtet werden.
Begründung
Begründung:
Mit der Landtagsdrucksache 20/3756 legt die Landesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Lehrkräftebildungsgesetzes vor, der die neuen Lehrämter „Direkteinstieg an Grundschulen“ und „Direkteinstieg an Gemeinschaftsschulen“ einführen soll. Personen mit einem Bachelor-Abschluss sollen unmittelbar in den Schuldienst eintreten und der Besoldungsgruppe A12 zugeordnet werden. Ziel ist, dem akuten Lehrkräftemangel zu begegnen.
Aus Sicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein greift dieses Modell jedoch zu kurz und birgt erhebliche Risiken für die Qualität und Kohärenz der Lehrkräftebildung. Die Bildungsforschung zeigt eindeutig: Gut ausgebildete Lehrkräfte sind ein zentraler Faktor für Bildungserfolg. Der überwiegende Teil der pädagogischen Professionalisierung, der reflektierten Praxis und der Entwicklung professioneller Handlungskompetenz findet im Masterstudium und im Vorbereitungsdienst statt. Werden diese Qualifikationsanteile verkürzt oder in rein begleitende Modelle verlagert, fehlt angehenden Lehrkräften eine wesentliche Grundlage für qualitativ hochwertigen Unterricht.
Besonders kritisch ist der dabei entstehende Fehlanreiz: Wer zwischen einem mehrjährigen Studium mit hohen Anforderungen und einem schnellen Berufseinstieg mit attraktiver A12-Besoldung wählen kann, wird sich in vielen Fällen für den Direkteinstieg entscheiden. Mehrfachbelastungen wie finanzielle Herausforderungen oder Care-Arbeit verstärken diese Tendenz zusätzlich. Damit drohen erhebliche Attraktivitätsverluste für die regulären Lehramtsstudiengänge – insbesondere an Grund- und Gemeinschaftsschulen, aber perspektivisch auch in der Sonderpädagogik und im Gymnasium. Eine solche Entwicklung würde zu sinkenden Studierendenzahlen in einem Bereich führen, der zwingend auf eine solide akademische Qualifikation angewiesen ist. Damit entsteht eine Ungleichbehandlung, die den Empfehlungen der SWK klar widerspricht, ein einheitlich hohes Qualitätsniveau für alle Wege in den Beruf sicherzustellen.
Für die lehrkräfteausbildenden Hochschulen in Schleswig-Holstein, insbesondere für die Europa-Universität Flensburg mit ihrer zentralen Rolle in der Grund- und Gemeinschaftsschullehrkräftebildung, wären sinkende Studierendenzahlen gravierend. Es drohen strukturelle Einschnitte, finanzielle Engpässe und ein Verlust wissenschaftlicher Expertise. Statt, wie in den Empfehlungen der SWK gefordert, die Lehrkräftebildung strategisch, institutionell und forschungsbasiert an den Universitäten zu stärken, wird ihre Rolle durch das Direkteinstiegsmodell geschwächt.
Sollten die neuen Direkteinstiegslehrämter dennoch eingeführt werden, ist es aus unserer Perspektive zwingend erforderlich, dass sie ausschließlich als befristete Maßnahme zur Bewältigung des akuten Lehrkräftemangels ausgestaltet werden. Studienkapazitäten im Lehramt dürfen dabei weder reduziert noch indirekt verdrängt werden.
Hinzu kommt ein grundlegendes Gerechtigkeitsproblem: Der Gesetzentwurf sieht keine verpflichtenden Weiterqualifikationswege vor, durch die Direkteinstiegslehrkräfte zügig einen vollwertigen Lehramtsabschluss erwerben können. Ohne eine solche Qualifizierung droht ein dauerhafter Zustand, in dem Lehrkräfte mit unterschiedlicher Besoldung und unterschiedlicher akademischer Ausbildung identische Aufgaben erfüllen.
Um eine gerechte Behandlung im Kollegium sicherzustellen und qualitativ hochwertigen Unterricht zu gewährleisten, ist aus unserer Sicht daher die verbindliche Einführung eines vollwertigen, berufsbegleitenden Qualifikationspfads bis zur Staatsprüfung dringend notwendig.
Einfache Sprache:
Die Landes·regierung hat ein neues Gesetz für die Ausbildung von Lehr·kräften geschrieben.
Die Landes·regierung macht Regeln für das Bundes·land.
Die Landes·regierung besteht aus dem Minister·präsidenten und den Minister*innen.
Sie leiten das Land und entscheiden wichtige Dinge.
Der Land·tag hat diese Woche über das Gesetz gesprochen.
Der Land·tag ist das Parlament eines Bundes·landes.
Zum Beispiel: Der Land·tag von Schleswig·Holstein.
Im Land·tag sitzen viele gewählte Personen.
Diese Personen heißen Abgeordnete.
Sie sprechen über wichtige Themen im Land.
Sie machen neue Gesetze.
Sie kontrollieren die Landes·regierung.
Sie werden weiter über dieses Gesetz reden.
Darum brauchen wir Grünen aus Schleswig·Holstein eine Meinung dazu.
Der Landes·partei·tag soll diese Meinung jetzt beschließen.
1. Direkt·einstieg an Grund·schulen und Gemeinschafts·schulen
Wir Grünen finden:
Der Direktein·stieg ist keine gute Lösung gegen den Lehr·kräfte·mangel.
Direkt·einstieg bedeutet:
Menschen dürfen nach dem Bachelor·abschluss schnell als Lehr·kraft arbeiten.
Bachelor·abschluss bedeutet:
Der Bachelor·abschluss ist ein erster Hoch·schul·abschluss.
Man bekommt ihn nach einem Studium an einer Hoch·schule oder Uni.
Das Studium dauert meistens 3 Jahre.
Mit dem Bachelor·abschluss zeigt man:
Ich habe die Grund·lagen in einem Fach gelernt.
Wir finden:
Ein Bachelor·abschluss ist nicht genug, wenn man immer in der Schule arbeiten will.
Gute Lehr·kräfte brauchen Zeit für gute Ausbildung.
Gute Lehr·kräfte brauchen gute Begleitung im Unter·richt.
Gute Lehr·kräfte sollen ihre Berufs·rolle sicher lernen.
Ohne diese Zeit kann es zu schlechterer Arbeit kommen.
Dafür gibt es ein schwieriges Wort:
Das nennt man De·professionalisierung.
De·professionalisierung bedeutet:
Jemand lernt den Beruf nicht richtig.
Dann kann die Person später schlechter arbeiten.
2. Gute Ausbildung bleibt unser Ziel
Wir erinnern an unseren Beschluss aus dem Jahr 2024.
Damals sagten wir:
Die Ausbildung von Lehr·kräften darf nicht einfach kürzer werden.
Wir wollen eine gute Ausbildung mit Wissen aus der Wissenschaft und viel Praxis.
Das soll für alle Wege in den Lehr·beruf gelten.
Das sagt auch die Ständige·Wissenschaftliche·Kommission (SWK).
Das ist die SWK:
Sie ist eine Gruppe von Fach·leuten aus der Wissenschaft.
Diese Fach·leute kennen sich gut mit Schule, Bildung und Forschung aus.
Sie beraten die Bildungs·minister*innen in Deutschland.
Die SWK sagt zum Beispiel:
Was ist gute Ausbildung?
Was brauchen Schulen?
Welche Regeln helfen für gute Bildung?
Die SWK macht keine Gesetze.
Sie gibt Empfehlungen.
Diese Empfehlungen helfen, gute Entscheidungen zu treffen.
Das IQSH und die Hoch·schulen sollen auch mitentscheiden.
Sie sollen gemeinsam ein gutes Ausbildungs·programm schreiben.
So kann die Ausbildung verbessert werden.
IQSH bedeutet:
Institut·für·Qualitäts·entwicklung·an·Schulen·Schleswig·Holstein.
Dort arbeiten Fach·leute für Schule und Unterricht.
Das IQSH hilft Schulen zum Beispiel:
• Es bildet Lehr·kräfte weiter.
• Es unterstützt Lehr·kräfte im Referendar·iat.
• Es macht Fort·bildungen für guten Unter·richt.
• Es hilft Schulen, sich zu verbessern.
Das IQSH arbeitet daran, dass Schulen in Schleswig·Holstein gut sind und gut bleiben.
3. Wenn der Direkt·einstieg trotzdem kommt
Wenn der Land·tag den Direkt·einstieg trotzdem einführt, fordern wir:
a. Nur für kurze Zeit
Der Direkt·einstieg soll nur eine Not·lösung sein.
Er soll nur so lange gelten, bis es genug Lehr·kräfte gibt.
Gleichzeitig sollen alle Teile der Ausbildung besser zusammenarbeiten.
Das empfiehlt auch die SWK.
b. Wichtige Studie beachten
Die Ergebnisse einer Studie aus Flensburg sollen beachtet werden.
Die Studie heißt:
„Studien·unabhängige Lehr·tätigkeit im Professionalisierungs·prozess“.
Sie untersucht, wie Menschen ohne langes Studium als Lehr·kraft arbeiten.
Diese Ergebnisse sind wichtig für gute Regeln zum Direkt·einstieg.
c. Weiter·bildung für alle Direkt·einstiegs·lehr·kräfte
Alle Direkt·einstiegs·lehr·kräfte müssen sich später voll weiter·bilden können.
Sie sollen die gleiche Prüfung machen können wie andere Lehr·kräfte.
Die Weiter·bildung soll neben dem Beruf stattfinden.
Die Weiter·bildung soll klar geregelt sein.
Die Lehr·kräfte sollen dafür bezahlt werden.
Wir wollen keine Ungleich·behandlung im Kollegium.
Alle Lehr·kräfte sollen gleiche Arbeit machen und gleich gut ausgebildet sein.
d. Schutz der Hoch·schulen
Die Hoch·schulen sollen nicht unter dem Direkt·einstieg leiden.
Vor allem die Europa-Universität Flensburg ist wichtig für die Ausbildung.
Sie soll nicht weniger Geld bekommen.
Sie soll weiter eine starke Rolle in der Lehr·kräfte·bildung haben.
e. Gute Absprachen und gute Kontrolle
Es soll feste Absprachen zwischen allen Teilen der Ausbildung geben.
Außerdem soll eine unabhängige Stelle prüfen, ob die Ausbildung gut ist.
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Hans-Peter Hopp: