| Veranstaltung: | Landesparteitag S-H November 2025 |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 19 Innen + Recht (B) |
| Antragsteller*in: | LAG Gesundheit (dort beschlossen am: 20.10.2025) |
| Status: | Modifiziert |
| Angelegt: | 23.10.2025, 17:30 |
A18: Strategie für einen effizienteren Personaleinsatz im Gesundheitswesen entwickeln – Pflege stärken, Versorgung zukunftsfähig gestalten
Antragstext
Der Landesparteitag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN SH möge beschließen:
Die LAG-Gesundheit fordert die Landtagsfraktion und die Landesregierung dazu
auf, eine
umfassende Strategie für einen effizienteren Einsatz der Personalressourcen im
Gesundheitswesen
Schleswig-Holsteins zu entwickeln und umzusetzen. Ziel dieser Strategie ist eine
bedarfsgerechte,
sektorenübergreifende und zukunftssichere Versorgung der Bevölkerung.
Dabei sollen insbesondere folgende Punkte berücksichtigt werden, die um weitere
relevante Punkte
zu ergänzen sind:
1. Stärkung nicht-ärztlicher Heilberufe:
• Ausbau und Förderung von Bachelor- und Masterstudiengängen für nicht-ärztliche
Heilberufe wie Pflegefachpersonen in Schleswig-Holstein sowie Anerkennung
entsprechender Qualifikationen aus dem Ausland, z.B. von in unseren
Nachbarländern etablierten Studiengängen wie (Clinical) Nursing, Advanced
Nursing Practice oder Community Health Nursing.
• Ausbau von professionellen Weiterbildungswegen mit klaren Kompetenzprofilen
und
einer an diese Karrierepfade gekoppelten Fortbildungspflicht. Dies soll zunächst
im
Sinne eines durchlässigen Qualitätsstufenmodells umgesetzt werden, so dass
bestehende Ausbildungswege bestehen bleiben.
• Aufbau von Selbstverwaltungsstrukturen für Pflegefachpersonen, u.a. zur
Qualitätssicherung und Interessenvertretung.
2. Datengestützte Versorgungs- und Ausbildungsplanung:
• Systematische Dokumentation aktueller Versorgungslücken, auch unter
gemeinsamer
Berücksichtigung von ambulanter und stationärer Versorgung.
• Entwicklung von Prognosemodellen zur Steuerung der Ausbildungs- und
Personalplanung, sowohl für ärztliche als auch für nicht-ärztliche Fachkräfte.
• Steuerung von Ausbildungs- und Weiterbildungskapazitäten basierend auf dieser
Planung, die auch durch geeignete Anreize wie Förderungen unterstützt werden
können.
3. Anpassung der Rollenverteilung in der Primärversorgung:
• Förderung und Vereinfachung der Umsetzung von interprofessionellen
Modellprojekten, in denen qualifizierte Pflegefachpersonen in Hausarztpraxen
Funktionen zur Versorgung und Steuerung von Patient*innen übernehmen. Hierbei
soll neben der gemeinsamen Arbeit mit ärztlichem Personal auch ein Fokus auf
eigenverantwortlicher und selbstständiger Erbringung heilkundlicher Leistungen
liegen.
• Aufbau interprofessioneller Teams auch über Modellprojekte hinaus mit klar
geregelten Zuständigkeiten.
4. Bessere Steuerung von Patient*innenpfaden, z. B. durch Schulungen und die
Weiterentwicklung von Leitstellen, des ärztlichen Bereitschaftsdienstes und von
Lotsenstrukturen in der Primärversorgung. Dafür soll ebenfalls die Abstimmung
zwischen
ambulantem und stationärem Sektor u.a. durch gemeinsame Versorgungsstrukturen,
Personalplanung und (digitale) Schnittstellen verbessert werden.
5. Sicherstellung von Ausbildungsplätzen in der Pflege in Schleswig-Holstein:
• Um neben der Professionalisierung und Akademisierung der Pflege auch
praxisnahe
Ausbildungsinhalte sicherzustellen, soll auch eine ausreichende Anzahl
praktischer
Einsatzorte zur Verfügung stehen. Der Zugang soll dabei unabhängig von der
Trägerschaft von Ausbildungsstätten gewährleistet werden.
• Hierbei sollen analog zu 2. ebenfalls Bedarfe in unterschiedlichen
Fachrichtungen
berücksichtigt werden. Dies soll auch die Attraktivität und Qualität der
Ausbildung
erhöhen.
Begründung
Begründung:
Stetig wachsende Gesundheitsausgaben in Deutschland setzen unser Gesundheitssystem massiv
unter Druck und erfordern echte Strukturreformen. Trotz auch im internationalen Vergleich hohen
Ausgaben bestehen bereits heute Versorgungsengpässe, unter anderem im ländlichen Raum und in
der Krankenpflege, aber auch bei der haus- oder fachärztlichen Versorgung – Kosten und Nutzen für
die Bevölkerung stehen also nicht im Verhältnis zueinander. Dabei verfügt das deutsche
Gesundheitssystem grundsätzlich über vergleichsweise viele Fachkräfte zur Sicherstellung der
Versorgung (OECD 2023). Der Personaleinsatz erfolgt allerdings oft ineffizient, weil
Rollenverteilungen, Ausbildungskapazitäten und Versorgungsstrukturen nicht aufeinander
abgestimmt sind (SVR 2024). Dies kann zu Frustration in den verschiedenen Gesundheitsberufen
führen und die Attraktivität der Arbeit im Gesundheitswesen massiv reduzieren.
Eine sektorenübergreifende, interprofessionelle Strategie, die Aufgaben neu verteilt, auch nicht-
ärztliche Heilberufe aufwertet und auf verlässliche Datenbasis setzt, kann diesem Trend
entgegenwirken. Eine Vielzahl von Ländern wie die Niederlande, Kanada, Australien, Singapur,
Großbritannien, Dänemark oder Schweden zeigen, wie Pflegefachpersonen mit mehr
Verantwortung und akademischer Qualifikation zur Entlastung und besseren Versorgung beitragen
(siehe z.B. Woo et al. 2017). Die Professionalisierung und Akademisierung der Pflege im Sinne
eines durchlässigen Qualitätsstufenmodells erhöht dabei nicht nur die Attraktivität der
Krankenpflege durch das Schaffen konkreter Karrierepfade und verbesserter Arbeitsbedingungen,
sondern auch die Attraktivität von ärztlichen und anderen nicht-ärztlichen Heilberufen, indem diese
entlastet werden und die Zusammenarbeit in unterschiedlich zusammengesetzten Teams gestärkt
wird.
Schleswig-Holstein sollte diesen Weg hin zu einer zukunftsfähigen Versorgung aktiv gestalten – und
damit auch das Vertrauen in die Heilberufe unterstreichen. Die in der Strategie zum effizienteren
Ressourceneinsatz geforderten Verbesserungen werden ebenfalls von verschiedenen Expert*innen
getragen (siehe z.B. SVR 2024). Sie gehen dabei auch über den Entwurf des
Pflegekompetenzgesetzes der Schwarz-Roten Koalition hinaus, um dem nötigen Umfang der
dringenden Strukturreformen gerecht zu werden.
Bestandteile der Strategie, die zunächst im Rahmen von Modellprojekten umgesetzt werden, sollen
durch eine wissenschaftliche Evaluation begleitet werden. Es soll zur Verbesserung der
Planungssicherheit zudem geprüft werden, inwieweit bei einer positiven wissenschaftlichen
Evaluation eine automatische Übernahme in die Regelversorgung erfolgen kann.
Die zur Umsetzung der Strategie nötigen Anpassungen z.B. der regulatorischen
Rahmenbedingungen auf Bundesebene sollten als Bundesratsinitiave eingebracht werden,
wohingegen die nötigen Anpassungen auf Landesebene direkt durch die Landtagsfraktion
eingebracht werden sollten.
Quellen:
• OECD/European Observatory on Health Systems and Policies (2023), Germany: Country
Health Profile 2023, State of Health in the EU, OECD Publishing, Paris/European
Observatory on Health Systems and Policies, Brussels.
• SVR, (Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen),
2024. Fachkräfte im Gesundheitswesen. Nachhaltiger Einsatz einer knappen Ressource.
Gutachten 2024, 2. Auflage. Bonn/Berlin.
• Woo, B. F. Y., Lee, J. X. Y., & Tam, W. W. S. (2017). The impact of the advanced practice
nursing role on quality of care, clinical outcomes, patient satisfaction, and cost in the
emergency and critical care settings: a systematic review. Human resources for health, 15(1),
63.
Antragsteller*innen: LAG Gesundheit / AG Pflege
Unterstützer*innen
- Christoph Fischer (KV Segeberg)
- Zoé Engel (KV Lübeck)
- Henning Vollert (KV Segeberg)
- Birgit Graf (KV Herzogtum Lauenburg)
- Melissa Sieber (KV Schleswig-Flensburg)
- Bastian Bech (KV Kiel)
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