| Antrag: | Rente mit Zukunft - gerecht und solidarisch |
|---|---|
| Antragsteller*in: | Nelly Waldeck (KV Kiel) |
| Status: | Geprüft |
| Verfahrensvorschlag: | Übernahme |
| Angelegt: | 14.11.2025, 18:01 |
Ä4 zu A25Neu: Rente mit Zukunft - gerecht und solidarisch
Nach Zeile 80 einfügen:
- Die Mittel sollen ausschließlich nachhaltig investiert werden.
Die Sicherheit der gesetzlichen Altersvorsorge (GRV) ist für viele Menschen ein
Stabilitätsanker - insbesondere in Krisenzeiten. Alle sollten sich darauf
verlassen können, im Alter einen Lebensstandard fern von Altersarmut zu haben.
Für die meisten Menschen ist die gesetzliche Rentenversicherung der wichtigste
Bestandteil ihrer Altersvorsorge - insbesondere für Frauen und Menschen in
Ostdeutschland.
Doch gerade dieser Stabilitätsanker beginnt zu rosten - und das nicht erst seit
gestern. Seit Jahren steuert das Rentensystem auf einen Eisberg zu. Dieser
Eisberg ist der demografische Wandel. Der wissenschaftliche Beirat des
Bundeswirtschaftsministeriums weist mit Hilfe demografischer Modelle
eindrücklich auf die bevorstehende Rentenkrise hin. Eine zentrale Kennziffer ist
dabei der Altersquotient 65+/20–64, der das Verhältnis zwischen älteren Menschen
und jüngeren Menschen in Deutschland beschreibt. Wenn heute 2,5 Personen im
erwerbsfähigen Alter auf eine Person im Rentenalter kommen, werden es schon 2035
nur noch zwei sein. Zum Vergleich: 1960 kamen über fünf Personen im
erwerbsfähigen Alter auf eine Person im Rentenalter, im Jahr 1995 waren es noch
vier Personen. Die nötige Aufstockung an Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt wird
hoch sein. Diese Zuschüsse werden für die allgemeine Rentenversicherung von
heute 93,1 Milliarden Euro schon im Jahr 2035 auf 138,9 Mrd. Euro steigen - das
entspricht mehr als einem Viertel des Bundeshaushalts. Konkret bedeutet das:
Weniger Erwerbstätige müssen für immer mehr Rentenbezieher*innen aufkommen und
der Staat muss das Rentensystem massiv bezuschussen.
Die Ursachen für diesen Anstieg sind vielfältig: sinkende Geburtenraten, der
Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge (Babyboomer) und die steigende
Lebenserwartung.
In der öffentlichen Debatte wird häufig ein Generationenkonflikt konstruiert -
Jung gegen Alt. Doch diese Polarisierung hilft nicht weiter. Was wir brauchen,
ist eine ernsthafte Reforminitiative, die das Rentensystem und zukunftsfest,
gerecht und solidarisch gestaltet. Dabei ist es auch wichtig die
Begleitstrukturen, wie zum Beispiel den Arbeitsmarkt zu verbessern.
Deshalb fordern wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein eine gerechte
und solidarische Rente, die sowohl einen hohen Lebensstandard im Alter als auch
einen verlässlichen Schutz vor Altersarmut gewährleistet.
Dafür setzen wir uns für folgende Schwerpunkte ein:
Punkt 1: Eine Bürger*innenversicherung – Alle zahlen ein
Das Ziel einer Bürger*innen Versicherung ist ein solidarisches Rentensystem, in
dem alle Bürger*innen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen -
unabhängig vom Beruf oder der Einkommensart. Mittelfristig sollen dabei alle
Einkommensarten berücksichtigt werden. Dabei sollte immer besonders Rücksicht
auf die Menschen mit geringen Einkommen genommen werden.
Im ersten Schritt müssen insbesondere nicht anderweitig abgesicherte
Selbstständige, Abgeordnete, Minijobber*innen und Bürgergeld-Beziehende in das
System einbezogen werden. Ein solcher Systemwechsel erfordert flexible
Beitragsmodelle sowie Übergangsfristen (Karenzzeiten), um soziale Härten zu
vermeiden.
Darüber hinaus soll das einheitliches Alterssicherungssystem, auch Beamte
einschließen. Derzeit existiert in Deutschland ein Zweiklassensystem:
Arbeitnehmer*innen zahlen in die gesetzliche Rentenversicherung ein, während
Beamte direkt vom Staat versorgt werden - mit in der Regel deutlich höheren
Pensionsansprüchen von rund 70 % des letzten Gehalts im Vergleich zu rund 50 %
bei gesetzlich Rentenversicherten.
Wenn auch Beamte in die Bürger*innen Versicherung (in der Übergangsphase in die
GRV) einzahlen würden, würde dies die Zahl der Beitragszahler*innen erhöhen und
kurzfristig die finanzielle Stabilität verbessern. Die Lastenverteilung würde
gerechter, und es entstünde Spielraum für nachhaltige Reformen.
Der Staat würde mit gutem Beispiel vorangehen und die Chance nutzen,
bürokratische Strukturen zu verschlanken, indem parallele Versorgungssysteme
reduziert werden.
Punkt 2: Verteilungsgerechtigkeit stärken
Wer mehr hat, muss auch mehr beitragen - dafür setzen wir uns ein. Menschen mit
hohen Einkommen sollen proportional stärker zur Finanzierung der
Rentenversicherung beitragen.
Konkret fordern wir eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze von 8.050€ auf
12.000€, sodass auch höhere Einkommen in vollem Umfang beitragspflichtig werden.
Gleichzeitig soll ab einem Einkommen, das dem Doppelten des mittleren
Bruttojahresverdienstes in Deutschland entspricht, eine reduzierte
Rentensteigerung, bei gleichbleibenden Rentenbeiträgen gelten. So bleibt das
System leistungsbezogen, aber sozial ausgewogener.
Punkt 3: Stiftung öffentlichen Rechts zur Stärkung der Rentenfinanzierung
Es soll eine Stiftung des öffentlichen Rechts gegründet werden, mit dem Ziel,
die gesetzliche Rentenversicherung langfristig finanziell zu stabilisieren.
Die Bundesregierung erhält dazu den Auftrag, 200 Milliarden Euro in Form von
Eigenkapital und Darlehen einzuzahlen. Aus den Erträgen dieses Fonds sollen in
den Folgejahren zusätzliche Mittel in die Rentenkasse fließen - ergänzend zur
beitragsfinanzierten Rente.
Dabei ist entscheidend:
- Die Stiftung muss unter parlamentarischer Kontrolle stehen - etwa durch
ein unabhängiges Kontrollgremium des Bundestages.
- Mittel aus der gesetzlichen Rentenkasse dürfen nicht zur Finanzierung des
Kapitalstocks verwendet werden.
- Die Mittel sollen ausschließlich nachhaltig investiert werden.
So schaffen wir eine nachhaltige und transparente Ergänzung zur
umlagefinanzierten Rente - ohne diese zu schwächen oder das Beiträge
zweckentfremdet werden.
Punkt 4: Die Rente mit 63 reformieren
Das aktuelle Rentensystem bevorzugt Menschen mit höheren Einkommen. Diese nutzen
unter anderem die Möglichkeit der Rente mit 63, um früher aus dem Berufsleben
auszuscheiden - obwohl sie in der Regel keine gesundheitlichen Einschränkungen
haben, die sie vom Arbeiten abhalten würden. Einkommensschwächere Menschen
hingegen müssen häufig länger arbeiten - für eine geringere Rente.
Forschungsergebnisse zeigen: Neun von zehn Bezieher*innen der Rente mit 63
gehören zu den Besserverdienenden und sind gesundheitlich in der Lage,
weiterzuarbeiten.
Wir finden: Wer vermögend und gesund ist, sollte erst zum regulären
Renteneintritt in Rente gehen dürfen - und dadurch auch zum Erhalt des
Rentensystems beitragen. Es müssen jene früher in Rente gehen können, die
körperlich belastende Arbeit leisten - zum Beispiel in der Pflege, im Baugewerbe
oder im Handwerk.
Wir setzen uns deshalb dafür ein, das Gießkannenprinzip der bisherigen Rente mit
63 abzuschaffen. Es soll geprüft werden, wie ein eine Rente mit 63 bei den
Menschen ankommt, die gesundheitlich nicht mehr arbeiten können und nicht bei
denen, die sowieso schon genug Geld haben und fit sind.
Punkt 5: Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes verbessern
Mehr Menschen müssen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, um das Verhältnis von
Einzahler*innen und Bezieher*innen von Rente zu entspannen. Derzeit verhindern
jedoch strukturelle Barrieren - insbesondere patriarchale Strukturen - einen
gleichberechtigten Zugang, vor allem für Frauen. Nach wie vor übernehmen in der
Regel Frauen den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit. Die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf muss deutlich gestärkt und der Gender Pay Gap endlich
geschlossen werden. Frauen dürfen nicht in der Teilzeitfalle stecken, sondern
müssen einen besseren Zugang zur Vollzeitarbeit bekommen.
Des Weiteren wäre ein konkreter Schritt zur Anerkennung der Care-Arbeit die
gleichwertige Anrechnung von Rentenpunkten - und das nicht nur während der
Elternzeit. Eine Person, die sich um ihre Kinder oder anderweitige
Familienmitglieder kümmert, sollte im Durchschnitt dieselben Rentenansprüche
bekommen wie Erwerbstätige.
Ergänzend dazu fordern wir eine Automatisierung dieser Prozesse, sodass nicht,
wie bei der Kindererziehungszeit, erst ein Antrag gestellt werden muss, bevor
die Rentenpunkte angerechnet werden.
Auch der Zugang für zugewanderte Menschen zum Arbeitsmarkt muss erleichtert
werden. Der Fachkräftemangel stellt - ebenso wie die Rentenfinanzierung - eine
enorme Herausforderung für Deutschland dar. Deshalb braucht es weniger
bürokratische Hürden und mehr Investitionen in Beratungs-, Qualifizierungs- und
Betreuungsangebote. Vor allem darf eine Arbeitserlaubnis nicht aufgrund von
einer potenziellen Abschiebung verweigert oder verzögert werden.
Darüber hinaus müssen die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass gesundes
und längeres Arbeiten möglich ist. Dazu gehören:
- die Förderung alterns- und altersgerechter Arbeitsbedingungen,
- sowie mehr Prävention im Bereich Gesundheit und Arbeitsschutz,
Nur so schaffen wir ein solidarisches Rentensystem, das nicht auf Kosten der
Gesundheit oder Gleichstellung funktioniert.
Dieser Antrag wird gemeinsam mit dem Landesvorstand der GRÜNEN JUGEND SH
eingebracht
Unterstützer*innen
- Mayra Vriesema (KV Nordfriesland)
- Philipp Schmagold (KV Plön)
- Luca Köpping (KV Kiel)
- Luca Brunsch (KV Kiel)
- Leon Martin (KV Kiel)
- Lukas Unger (KV Pinneberg)
- Oliver Brandt (KV Herzogtum Lauenburg)
- Carsten Nielsen (KV Flensburg)
- Mandy Siegenbrink (KV Lübeck)
Kommentare
Carsten Nielsen: