| Antrag: | Der Herbst der Reformen darf kein Herbst der sozialen Kälte werden! |
|---|---|
| Antragsteller*in: | Rasmus Andresen (KV Flensburg) |
| Status: | Angenommen |
| Verfahrensvorschlag: | Übernahme |
| Angelegt: | 26.10.2025, 11:05 |
Ä1 zu A5: Der Herbst der Reformen darf kein Herbst der sozialen Kälte werden!
Von Zeile 160 bis 162 einfügen:
steigen und viele Menschen keinen passenden Wohnraum finden. Wir brauchen mehr Wohnraum für junge Menschen, Familien, einkommensschwache Personen und junge Menschen in Ausbildung oder Studium. Und wir müssen Mieter*innen schützen. Mit dem
Der Herbst der Reformen darf kein Herbst der sozialen Kälte werden!
Die Bundesregierung hat einen „Herbst der Reformen“ angekündigt, der im Kern
beinhaltet, dass Sozialausgaben gekürzt werden sollen. Im Fokus steht hierbei
vor allem das Bürgergeld. Damit möchte die schwarz-rote Bundesregierung das
Haushaltsloch für das kommende Haushaltsjahr in Höhe von rund 30 Mrd. € stopfen.
Die Vorstellung der Bundesregierung lautet, damit Einsparungen in Höhe von
mindestens 5 Mrd. € zu erzielen, was inzwischen schon wieder auf unter 1 Mrd.
korrigiert wurde. Wir halten diese politische Schwerpunktsetzung für falsch,
denn sie löst weder das Problem des Bundeshaushalts, noch ist es inhaltlich
zielführend – im Gegenteil - wir halten diese Form der dadurch erzielten
sozialen Spaltung für politischen Unfug und brandgefährlich!
Aber auch im Hinblick auf andere Sozialleistungen klingt es oft so, als solle
dem Sozialstaat die Axt angelegt werden. Der Bundeskanzler behauptet, dass wir
uns den Sozialstaat in seiner jetzigen Form nicht leisten können. Allerdings
wird nicht weiter formuliert, was genau wir uns nicht leisten können und wo
konkret, über das Bürgergeld hinaus, Einsparungen erfolgen sollen. Gleichzeitig
werden Vorschläge, die Einnahmesituation der Sozialversicherungen oder des
Staates zu verbessern oft reflexartig abgelehnt. Der sozialdemokratische Anteil
der Bundesregierung beharrt auf alte Strukturen, ohne zukunftsorientierte
Vorschläge zu machen, die gerade auch jüngere Generationen mitdenkt. Bis auf
Kommissionen und markigen Sprüchen, fehlt es an konkreten Umsetzungsvorschlägen.
Wir sind in Zeiten großer gesellschaftlicher Verunsicherung, die erfordern, dass
politische Verantwortungsträger*innen keine Ängste schüren, sondern Sicherheit
geben. In diesem Selbstverständnis führen wir als BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Schleswig-Holstein diese Debatte.
Dass unsere sozialen Sicherungssysteme reformbedürftig sind, erkennen wir an.
Uns geht es hierbei aber nicht ausschließlich um kostendämpfende Maßnahmen
innerhalb der bestehenden Strukturen, sondern auch um eine Verbesserung und eine
echte Reform im Sinne derer, die auf unsere sozialen Sicherungssysteme
angewiesen sind. Ein reiches Land wie Deutschland muss sich einen gut
ausgestatteten Sozialstaat leisten!
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein bekennt sich zu einem starken
Sozialstaat. Dieser ist nicht nur verfassungsrechtlich festgeschrieben, er ist
für uns geboten und der Grundpfeiler einer liberalen und wehrhaften Demokratie,
der die Schwächsten in unserer Gesellschaft schützen soll!
Daraus ergibt sich für uns ein Handlungsbedarf der folgende Themenbereiche
umfasst:
1. Recht auf Teilhabe für Menschen mit Behinderung
Der Bund muss sich an den Kosten und den Kostensteigerungen der
Eingliederungshilfe beteiligen, damit Länder und Kommunen die Ziele des
Bundesteilhabegesetztes tatsächlich umsetzen können. Die steigenden finanziellen
Belastungen müssen gemeinsam gestemmt werden. Zudem ist der Bund gefragt,
bürokratische Strukturen zu vereinfachen, um auf allen Ebenen schlankere
Strukturen zu ermöglichen. Wir wollen sicherstellen, dass Menschen mit
Behinderung und Beeinträchtigung auch in Zukunft die Unterstützung bekommen, die
ihnen zusteht. Die Eingliederungshilfe betrachten wir nicht als Kostenfaktor,
sondern als ein Werkzeug, mit dem sichergestellt wird, dass alle Menschen
gleichberechtigt an unserer Gesellschaft teilnehmen können.
Wir bekennen uns zu den Angeboten der Werkstätten und sind uns im Klaren
darüber, dass es viele Menschen gibt, die dort arbeiten wollen. Allerdings gibt
es auch viele Menschen, die eine Chance auf Zugang zum ersten Arbeitsmarkt haben
wollen und denen hierbei rechtliche und praktische Rahmenbedingungen im Weg
stehen. Deshalb braucht es eine Reformierung des Werkstättenrechts, um diese
Möglichkeiten auszuschöpfen.
2. Ein generationengerechtes Rentensystem
Während 1960 noch sechs Beitragszahler*innen auf eine*n Rentner*in kam, sind es
heute zwei Beitragszahler*innen. Das bedeutet, dass sich nicht nur unsere
Gesellschaft rapide verändert hat, sondern ein generationengerechtes
Rentensystem nur möglich ist, wenn es die Herausforderungen der jeweiligen
Generationen im Blick hat und auf sie reagiert. Die Zementierung des
Rentenniveaus auf 48 Prozent ohne einen Vorschlag für die Gegenfinanzierung, ist
kein zukunftsfestes Rentensystem. Ohne grundlegende Reformen wie die
Einbeziehung weiterer Beitragszahler*innen und eine Stärkung der
kapitalgedeckten Altersvorsorge für alle, drohen die Lohnnebenkosten künftig
Arbeitnehmer*innen und Arbeitgebende zu erdrücken und Arbeit unattraktiv zu
machen.
3. Reform der sozialen Pflegeversicherung
Wir brauchen eine generationengerechte Reform der sozialen Pflegeversicherung.
Dazu ist es notwendig, dass der Bund sich mit folgenden Themen auseinandersetzt:
Eine Umgestaltung der Finanzierung ist dringend nötig. Für uns gilt der
Grundsatz: Entbürokratisierung vor Leistungskürzung. Wir brauchen eine
Entlastung der Pflegekassen. Versicherungsfremde Leistungen wie die
Coronamehrkosten, Ausbildungskosten oder die Absicherung von pflegenden
Angehörigen müssen aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Für die
steigenden Eigenanteile in der stationären Pflege fordern wir einen
Kostendeckel pro Pflegeplatz. Die Eigenanteile sind inzwischen ins
Unermessliche geschossen. Das ist für Pflegebedürftige und ihre
Angehörigen nicht mehr leistbar.
Der volkswirtschaftliche Wert durch unbezahlte Pflege von pflegenden
Angehörigen wird in Deutschland auf 206 Mrd. Euro jährlich geschätzt. Die
Entlastung und Unterstützung von pflegenden Angehörigen müssen in der
Reform im Fokus stehen.
Wir brauchen außerdem eine bessere und gesetzlich verankerte Steuerung der
pflegerischen Versorgung durch die Kommunen. Sie müssen für die Erstellung
abgestimmter Konzepte der Quartierspflege, Pflegedienstleistungen und für
Pflegende Angehörige befähigt werden – und der Bund muss den Kommunen
diesen Mehraufwand bezahlen.
Um Pflegebedürftigkeit möglichst zu verhindern und Verläufe abzumildern,
muss schon frühzeitig mit Prävention begonnen und auch vermehrt
rehabilitative Pflege angeboten werden.
5. Gesetzliche Krankenversicherung
Zur kurzfristigen Stabilisierung braucht es wie in der sozialen
Pflegeversicherung eine Übernahme versicherungsfremder Leistungen durch den
Bundeshaushalt, um das Solidarsystem zu stabilisieren. Mittelfristig müssen die
größten finanziellen Hebel bewegt werden durch konsequente Gesundheitsförderung
auf Basis eines novellierten Präventionsgesetzes, flächendeckende
Digitalisierung und Entbürokratisierung samt einer Reduktion des
Verwaltungsapparats.
Langfristig bedarf es der Überführung von Sozialer und Gesetzlicher
Krankenversicherung in eine Grundversicherung, in die alle Menschen unabhängig
von Einkommensart einzahlen. Menschen mit niedrigen Einkommen zahlen heute einen
deutlich höheren Anteil ihres Einkommens für unser Solidarsystem als Menschen
mit hohen Einkommen. Diesen Umstand wollen wir durch eine umfassende Reform
entgegenwirken, um ihnen mehr Netto vom Brutto zu lassen.
4. KiTa-Garantie
Nicht jedes Kind in Schleswig-Holstein hat einen KiTa-Platz und das, obwohl wir
so viel Geld für KiTa ausgeben wie noch nie. Rund 1,8 Mrd. Euro werden in
Schleswig-Holstein im Jahr 2025 für die Kleinsten ausgegeben. Dabei trägt das
Land mit ca. 42% den größten Anteil in Höhe von 758 Mio. €, die Kommunen mit
etwa 37 % den zweitgrößten und die Eltern finanzieren mit ihrem gedeckelten
Anteil den restlichen Anteil von aktuell ca. 21%.
Wir wissen, dass es eine Diskrepanz zwischen bildungsnahen vs. bildungsfernen,
migrantischen vs. nicht-migrantischen, einkommensschwachen vs. einkommensstarken
Familien gibt, wenn es darum geht, wer eine KiTa besucht. Ein konkretes
Beispiel: Laut statistischem Bundesamt liegt die Betreuungsquote der Drei- bis
Sechsjährigen bei Kindern ohne Migrationshintergrund bei 103%, bei Kindern mit
Migrationshintergrund hingegen nur bei 60%.
Das führt zu unterschiedlichen Startbedingungen bei Kindern zu Schulbeginn und
mit Blick auf spätere berufliche Chancen. Wir wollen einen Weg aufzeigen, der
die Platzkapazitäten erhöht und Kindern und Familien ermöglicht, die
frühkindliche Bildung und Unterstützung zu erfahren, die sich brauchen. Wir
sprechen uns gegen eine KiTa-Pflicht aus, denn wir sehen keinen Sinn darin, eine
Pflicht zu formulieren, wenn wir als Staat noch nicht ausreichend Kapazitäten
bereitstellen. Wir wollen einen KiTa-Garantie!
Wir können und wollen uns nicht damit zufriedengeben, dass nicht jedes Kind die
frühkindliche Bildung erfährt, die es benötigt. Wir wollen deshalb die
Betreuungsquote im Bereich der über Drei-Jährigen spürbar erhöhen und jetzt ist
ein genau der richtige Zeitpunkt. Die rückläufigen Kinderzahlen bedeuten
freiwerdende Ressourcen, die unbedingt in die Stabilisierung des Systems
investiert werden müssen durch einen Platzausbau und in gute Arbeitsbedingungen
für Fachkräfte!
Wir dürfen nicht den Fehler machen, dass vor Ort oder im Land mit weniger
Ressourcen geplant wird, wenn noch rund 10 Prozent der über Drei-Jährigen Kinder
keinen KiTa-Platz haben.
Deshalb setzen wir uns für ein KiTa-Garantie-Programm für die Kommunen ein. Mit
diesem Programm sollen diejenigen Kinder einen KiTa-Platz bekommen, die noch
keinen haben und gerade in sozial herausfordernden Gegenden leben. Deshalb
wollen wir uns auf Landesebene, so wie auf kommunaler Ebene dafür einsetzen,
dass bestehende KiTa-Mittel erhalten und gezielt für Kinder ohne KiTa-Platz
genutzt werden.
Die Mittel sollen vor allem für zusätzliches Personal und zusätzliche Maßnahmen
genutzt werden, um die Betreuungsquote zu erhöhen.
5. Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten stärken
Wir bekennen uns zu einer vielfältigen Gesellschaft, die in der Migration nicht
nur Probleme sieht, sondern Möglichkeiten für Menschen mit Migrationsgeschichte
selbst und für unsere schleswig-holsteinische Wirtschaft. Wir möchten, dass
Menschen von Tag eins an, als ab Ankunft die Möglichkeit haben ihren eigenen
Lebensunterhalt durch eigene Arbeit oder Ausbildung zu verdienen. Dafür braucht
es gute Ankommensinfrastruktur in Land und Kommunen, die verzahnt sind und eine
feste Kooperation mit der schleswig-holsteinischen Wirtschaft mit dem Land für
Jobperspektiven für Geflüchtete. Wir wollen, dass das neu eingeführte
Screeningverfahren der Kompetenzen von Geflüchteten in den
Erstaufnahmeeinrichtungen, damit sie schneller und besser ankommen, zum neuen
Standard für Schleswig-Holstein wird. Wir wollen außerdem, dass die Verfahren
zur Anerkennung von bereits erworbenen Qualifikationen entbürokratisiert und
vereinfacht werden, um Menschen schneller in Jobs zu bringen, für die sie
bereits ausgebildet sind.
6. Wohnraum schaffen – Mieter*innen schützen
Einer der großen Krisen unserer Zeit ist, dass Mieten zu teuer sind, Nebenkosten
steigen und viele Menschen keinen passenden Wohnraum finden. Wir brauchen mehr
Wohnraum für junge Menschen, Familien, einkommensschwache Personen und junge Menschen in
Ausbildung oder Studium. Und wir müssen Mieter*innen schützen. Mit dem
Wohnraumschutzgesetz in Schleswig-Holstein haben wir es als Grüne geschafft ein
Instrument einzuführen, dass vor allem die Rechte der Mieter*innen schützen
soll. Allerdings reicht es in seiner derzeitigen Ausgestaltung nicht aus. Damit
das Instrument noch besser greift, muss es bei geeigneten Fällen im ganzen Land
angewendet und für Mieter*innen selbst konkret nutzbar gemacht werden. Deshalb
wollen wir dieses Instrument erweitern und weiterentwickeln zusammen mit
Expert*innen rund um das Thema Mieten und Wohnen, um in Vorbereitung unseres
Wahlprogramms einen Schwerpunkt auf dieses Thema zu richten. Die hohe Förderung
des sozialen Wohnungsbaus muss beibehalten werden! In dieser Wahlperiode ist es
bereits gelungen, die Kappungsgrenzenverordnung wieder einzuführen, um
unverhältnismäßige Mieterhöhungen in bestehenden Mietverhältnissen zu
verhindern. Als Nächstes setzen wir uns dafür ein, auch die Mietpreisbremse
erneut einzuführen, um Mieterhöhungen bei Mieter*innenwechsel zu regulieren.
Kommunale Wohnungsbaugesellschaften möchten wir gezielt unterstützen, damit
Wohnraum dort entsteht, wo er gebraucht wird. Der Wohnungsmarkt braucht
Regulierung, denn nur das Credo “Bauen, Bauen, Bauen” wird das
Verteilungsproblem nicht lösen!
7. Vermögen und Erbschaften besteuern – Gerechtigkeit herstellen
Während die Ausgaben und Aufgaben des Staates steigen, wird auf der
Einnahmeseite lediglich auf Wirtschaftswachstum gesetzt. Trotz vollmundiger
Ankündigungen und einem Riesen-Kreditrahmen bleibt die neue Regierung weit
hinter den Wachstumsversprechen zurück. Deshalb muss die Einnahmeseite gestärkt
werden.
In Deutschland haben wir eine verhältnismäßig hohe Besteuerung von Einkommen.
Beim Vermögen hingegen nicht. Gerade eine Vermögenssteuer und eine wirksame
Erbschaftssteuer würden den Ländern zugutekommen und die Vermögensungleichheit
in Deutschland entgegenwirken. Unser Grundgesetz sieht eine Vermögenssteuer vor,
sie ist derzeit nur ausgesetzt. Die Zeit ist längst überfällig: Wir wollen
wieder eine gerechte Vermögenssteuer einführen. Hierbei geht es nicht darum,
Betriebe zu gefährden oder den hart erarbeiteten Besitz von einzelnen Personen.
Wir wollen, dass Milliardäre ihren fairen Anteil zahlen und sich Menschen, die
zig Millionen Euro herumliegen haben, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung
stellen. Hierzu muss auch die Erbschaftssteuer reformiert werden, um auch die
Superreichen zu erreichen.
Darüber hinaus müssen auch hohe Kapitalerträge bei den
Sozialversicherungsausgaben mitgedacht werden. Das wäre ein wichtiger
Reformschritt bei der Stabilisierung unserer Sicherungssysteme – und ein Beitrag
für mehr Gerechtigkeit im Land.
Unterstützer*innen
- Carsten Nielsen (KV Flensburg)
- Marlene Langholz-Kaiser (KV Flensburg)
- Susanne Hilbrecht (KV Dithmarschen)
- Conny Clausen (KV Flensburg)
- Aminata Touré (KV Neumünster)
- Annabell Louisa Pescher (KV Flensburg)
- Denise Loop (KV Dithmarschen)
- Oliver Brandt (KV Herzogtum Lauenburg)
- Stella Marie Viebrock (KV Flensburg)
- Alexandra Königshausen (KV Flensburg)
- Falk Bednarski (KV Flensburg)
- Sascha Peukert (KV Lübeck)
- Annette Granzin (KV Ostholstein)
- Katharina Khodami (KV Flensburg)
- Lukas Unger (KV Pinneberg)
- Monika Wegener (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Ralf Striecker (KV Flensburg)
- Gazi Freitag (KV Plön)
Kommentare